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Gemeinde Süsel
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            Gemeinde Süsel

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Der Bürgermeister        

                                                                                                       

 

Gemeinde Süsel, An der Bäderstraße 64, 23701 Süsel

Herrn Ministerpräsidenten
des Landes Schleswig-Holstein
Peter Harry Carstensen
Postfach 71 22
24171 Kiel

und

Herrn Innenminister
des Landes Schleswig-Holstein
Dr. Ralf Stegner
Postfach 7125
24171 Kiel

über den:

Herrn Landrat
des Kreises Ostholstein
Reinhard Sager
Postfach 433
23694 Eutin

 

Kommunale Verwaltungsstrukturreform

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Carstensen,

sehr geehrter Herr Innenminister Dr. Stegner,

sehr geehrter Herr Landrat Sager,

in ihrer Sitzung am 22. September 2005 hat sich die Gemeindevertretung der Gemeinde Süsel mit dem Erlass des Innenministers vom 30. Juni 2005, den Leitlinien zur künftigen kommunalen Struktur und der Orientierungshilfe auseinander gesetzt und dazu folgenden einstimmigen Beschluss gefasst:

„Die Leitlinien zur künftigen kommunalen Struktur werden in dieser Form abgelehnt. Die Gemeinde Süsel verurteilt die angekündigten gesetzlichen Regelungen zur Auflösung von kommunalen Verwaltungen als ungerechtfertigten und unnötigen Schritt, mit dem bewährte Strukturen zerschlagen würden.“

Begründung:

Zunächst sieht die Gemeinde Süsel ein Versäumnis allein schon beim formalen Zustandekommen der Leitlinien zur künftigen kommunalen Struktur. Sie sind ohne jegliche Beteiligung der kommunalen Landesverbände entstanden, obwohl sie zutiefst in die Belange der von diesem Verband vertretenen Kommunen und ihrer Bürgerinnen und Bürger eingreifen.

Es heißt dann unter Ziffer 1 der Leitlinien zur künftigen kommunalen Struktur, dass die Landesregierung auf der Ebene der Städte, Gemeinden, Ämter und Zweckverbände die Verwaltung

Verwaltung professioneller, bürgernäher und wirtschaftlicher gestalten will. Wie diese Ziele durch die Reform erreicht werden sollen, bleibt unbeantwortet. Dabei ist bezeichnend, dass hier eine Ebene in die ureigensten Rechte einer anderen, wenn auch unteren Ebene, eingreift. Dabei zeigen sich wieder einmal die Grenzen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie.

Schließlich will die Landesregierung sich nicht auf den genannten Abbau von Doppelzuständigkeiten und die Verlagerung von Landesaufgaben beschränken, sondern es sollen vielmehr „nicht mehr hinreichend leistungsfähige Verwaltungen“ abgebaut oder zusammengelegt werden. Wer nicht mehr hinreichend leistungsfähig ist, wird dann unter Ziffer 3 festgestellt. Nämlich pauschal Verwaltungseinheiten, die weniger als 8.000 bis 9.000 Einwohner betreuen. Für die Verwaltungseinheit, die weniger als 8.000 Einwohner betreut, gibt es auch keine Möglichkeit, ihre Leistungsfähigkeit nachzuweisen und ihren Bestand zu rechtfertigen. Die nicht mehr hinreichende Leistungsfähigkeit auch unter finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten wird einfach vorausgesetzt. Dies macht deutlich, dass sich die Landesregierung in diesem Punkt ein klares Ziel gesetzt hat und dass die tatsächliche Leistungsfähigkeit oder auch die tatsächliche Wirtschaftlichkeit keine Rolle spielen sollen.

Vor der Diskussion über eine Verwaltungsstrukturreform sind weder seitens des Landes Schleswig-Holstein, noch durch den Kreis Ostholstein irgendwelche Vorwürfe erhoben worden, dass speziell kleinere Verwaltungen nicht leistungsfähig wären. Dass dies auch tatsächlich nicht der Fall ist, belegen die Ergebnisse der Prüfungen des Gemeindeprüfungsamtes über unzählige Ordnungsprüfungen und Kassenprüfungen im kommunalen Bereich und speziell auch der Gemeinde Süsel.

Aber auch die Wirtschaftlichkeit kleinerer Verwaltungen wird in Frage gestellt, ohne dass belegt wird, ob größere Verwaltungseinheiten generell wirtschaftlicher arbeiten. Ganz aktuell hat der Kreis Ostholstein eine Übersicht über die Personalausgaben der kreisangehörigen Kommunen im Jahre 2004 versandt. Darin liegen die kleineren Kommunen wie auch die Gemeinde Süsel deutlich unter dem Durchschnitt. Nun wurde seitens des Landesrechnungshofes gern damit argumentiert, dass die Städte als größere Verwaltungseinheiten zwar höhere Personalausgaben aufweisen, aber auch Aufgaben wahrnehmen, die bei kleineren Verwaltungen nicht anzutreffen sind. Dies ist grundsätzlich richtig. Nicht ausgeführt oder verschwiegen hat der Landesrechnungshof dabei aber, dass es sich umgekehrt genauso verhält. Während kleinere Verwaltungen die Niederschlagswasserbeseitigung, Abwasserbeseitigung und andere Anlagen selbst betreiben, sind in größeren Kommunen diese Einheiten Eigenbetrieben und ähnlichem zugeordnet. Auch Einrichtungen, wie zum Beispiel die Volkshochschulen oder der Fremdenverkehr, sind in den größeren Verwaltungen verselbständigt. In kleineren Kommunen werden diese Aufgaben aus der Verwaltung heraus wahrgenommen und tauchen dementsprechend in der Summe der Personalkosten auf.

Ebenso wird übersehen, dass gerade die Großgemeinden des ehemaligen Kreises Eutin aufgrund ihrer Fläche und der Vielzahl von Ortschaften ein ganz anderes Netz an Infrastruktureinrichtungen vorzuhalten haben. Bedingt durch die Verteilung ihrer Einwohnerzahl auf eine Vielzahl von Ortschaften bezieht sich dies auf Grünflächen, Spielplätze, Dorfgemeinschaftshäuser, Feuerwehren und anderes. Auch muss der Aufwand für die Verwaltung und Unterhaltung der Straßen gesehen werden, der in diesen Gemeinden aufgrund ihres Umfanges ein ganz anderes Arbeitsfeld beansprucht.

Es sollen bei Gemeinden unter 8.000 Einwohnern weder die Leistungsfähigkeit, noch die Wirtschaftlichkeit geprüft werden, sondern die mangelnde Leistungsfähigkeit und die mangelnde Wirtschaftlichkeit wird von vornherein unterstellt. Wer die Arbeit in den kleineren Verwaltungen kennt, weiß aber, warum sie bei den Personalkosten auf so günstigen Plätzen liegen und wirtschaftlich arbeiten. Auch der Landesverband des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages hat es bereits formuliert. Günstige Besoldungsstrukturen, flache Hierarchien, eine starke Rolle des Ehrenamtes, überhaupt des ehrenamtlichen Engagements für die Gemeinschaft, direkte demokratische Kontrolle, Flexibilität und Pragmatismus und die Gründe dafür.

Nach den Leitlinien befinden wir uns in einer „ Phase freiwilliger und finanziell unterstützter Zusammenlegung“. Tatsächlich kann wohl nicht von Freiwilligkeit die Rede sein, wenn gesetzliche Regelungen mit einer klaren Terminierung angekündigt sind.

In den Vorbemerkungen der Orientierungshilfe ist dann die Rede davon, dass die Verwaltungen Größenordnungen erhalten müssen, die unter Nutzung von E-Government in der Lage sind, kompetent und effizient die Dienstleistung zu erbringen. Gerne wird die Notwendigkeit der Änderung von Verwaltungsstrukturen eben mit E-Government und der Übertragung weiterer Aufgaben auf die Kommunen begründet. Tatsächlich werden diese Dinge neue und veränderte Anforderungen an die Verwaltung stellen. Jedoch besteht allgemein zwischen den Leitern kommunaler Verwaltungen Einigkeit darüber, dass man sich diesen neuen Aufgaben zu einem Teil auch gemeinsam stellen wird, um sie effektiv und kostengünstig wahrzunehmen, denn Zusammenarbeit ist auf kommunaler Ebene eben kein Fremdwort. Dafür ist aber nicht die Auflösung von Verwaltungen erforderlich, sondern die Kernaufgaben können und sollen weiter effizient und bürgernah vor Ort wahrgenommen werden. Dies ist echte Bürgernähe im Gegensatz zu der „Bürgernähe“, die die Landesregierung durch die Schließung von Verwaltungen erreichen will.

Zunächst einmal sollte klar sein, welche Aufgaben im Rahmen der Funktionalreform auf welche Ebene übertragen werden. Dann wird der kommunale Bereich auch ohne Zwang seine Struktur darauf ausrichten.

Wenn die kommunale Zusammenarbeit ohne die Auflösung von Verwaltungen als Scheinlösung bezeichnet wird, so macht dies deutlich, dass der Wegfall von Verwaltungen Selbstzweck ist, denn die vom Land gesetzten Ziele können auch anders und effektiver erreicht werden. Die kommunalen Verwaltungen sind Dienstleistungsunternehmen, für die die bloße Größe nicht den Kostenvorteil bringt, wie im produzierenden Gewerbe oder dort, wo durch die Bündelung von Mengen die günstigsten Einkaufskonditionen zu erzielen sind. Deswegen darf die Forderung nach größeren Verwaltungen nicht einfach reiner Selbstzweck sein.

Die Gemeinde Süsel sieht durch die Umsetzung der Leitlinien weiter eine Gefahr für das ehrenamtliche Engagement, das doch eigentlich gestärkt werden soll. Gerade eine enge Beziehung zwischen der hauptamtlichen Verwaltung und den örtlichen Akteuren fördert dieses Engagement. Wenn es schon heute in einer flächenmäßig so großen, aus 15 Ortschaften bestehenden, Gemeinde schwer ist, die Verbindungen aufzubauen und zu erhalten, wird dies in größeren Gebilden unmöglich. Auch der Landesrechnungshof hat in seinem immer wieder zitierten Bericht auf die Besonderheiten der Großgemeinden im ehemaligen Kreis Eutin hingewiesen.

Hier hat sich die hauptamtliche Verwaltung auf Grund der Struktur der Gemeinde bewährt. Nur ein hauptamtlicher Bürgermeister, der die Verwaltungsleitung inne hat, die Sitzungen der gemeindlichen Selbstverwaltung begleitet, auf den Veranstaltungen der neun Feuerwehren, der drei Jugendfeuerwehren, der 15 Dorfschaften und der Vereine und Organisationen präsent ist, kann unmittelbar Informationen sammeln und weitergeben, Stimmungen auffangen und Eigeninitiativen fördern. So garantiert der hauptamtliche Bürgermeister ein funktionierendes Zusammenspiel von Selbstverwaltung und Verwaltung mit Dorfschaften, Feuerwehren, Vereinen und Organisationen, aber auch der Bürgerschaft. Das Ergebnis ist Effizienz und Bürgernähe.

Nach dem Rückzug anderer Behörden und Einrichtungen, wie Banken, Polizei, Post und Einzelhandel, würde die Schließung von Verwaltungen in der Fläche zu einer weiteren Schwächung des ländlichen Raumes führen, während wir doch andererseits mit dem Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel Programme versuchen, dieser Entwicklung entgegen zu wirken. Mit Blick auf die Wahlkampfaussagen und die heute vorliegenden Leitlinien zur künftigen kommunalen Struktur mit den darin getroffenen Ankündigungen sieht die Gemeinde Süsel die Gefahr, dass diese „Verwaltungsstrukturreform“ trotz aller Ankündigungen nur die Vorstufe zu einer dann ebenso wenig freiwilligen Gebietsreform sein könnte. Deswegen sollten alle kommunalen Vertretungen die weitere Entwicklung sehr kritisch begleiten.

Aus den genannten Gründen bittet die Gemeinde Süsel den Innenminister, die getroffenen Leitlinien noch einmal zu überarbeiten und mit der klaren Aussage zu versehen, dass ein Zwang auch in Zukunft nicht ausgeübt wird. Auch muss, wenn die Wirtschaftlichkeit ein Maßstab sein soll, dies anhand klarer Kennzahlen für alle Kommunen gelten und es dürfen nicht einige aufgrund ihrer Größe willkürlich disqualifiziert werden. Die Gemeinde Süsel sieht die Wirtschaftlichkeit Ihrer Verwaltung durch die Bemerkungen des Landesrechnungshofes genauso wie durch die Personalkostenvergleiche des Kreises Ostholstein belegt.

Den besonderen Gegebenheiten in den Großgemeinden des früheren Kreises Eutin ist ebenfalls Rechnung zu tragen. Auch sollten Kooperationen zwischen Verwaltungen als weitere Möglichkeit in den Leitlinien vorgesehen werden. Diese Alternative lassen auch die Regelungen im Koalitionsvertrag durchaus zu.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Voigt
Bürgermeister

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