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Eutin im Nationalsozialismus - heute vor 92 Jahren

Erinnerung an die „Reichstagsbrandverordnung“ und den Eutiner Arbeiter August Salhof (1890-1970)


In der Nacht zum 28. Februar 1933 brennt das Reichstagsgebäude in Berlin. Noch in der selben Nacht ordnet Hermann Göring die Verhaftung von Abgeordneten und führenden Funktionären der KPD an. In Berlin und anderen Großstädten setzt sofort eine Verhaftungswelle politischer Gegner der Nationalsozialisten aus der Arbeiterbewegung und den Gewerkschaften ein.

Am Tag nach dem Reichstagsbrand wird die Notverordnung „zum Schutz von Volk und Staat“ vom Reichpräsidenten Paul von Hindenburg unterschrieben. Durch diese „Reichstagsbrandverordnung“ werden unter dem Vorwand, ein kommunistischer Aufstand stehe unmittelbar bevor, wesentliche Grundrechte außer Kraft gesetzt, darunter die Pressefreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung und auch die Freiheit der Person.

Verhaftungen waren nun willkürlich und ohne richterliche Prüfung „vorbeugend“ möglich. Allein in den folgenden zwei Monaten wurden mehr als 45.000 Menschen verhaftet. Die regulären Gefängnisse waren bald derart überfüllt, dass auf improvisierte Haftorte ausgewichen werden musste. Dies sind die frühen Konzentrationslager, in denen politische Gegner gedemütigt, gefoltert und vielfach auch umgebracht wurden.

In Eutin wurde am 28. Februar 1933, dem Tag der Verkündigung des „Gesetzes zum Schutz von Volk und Staat“, der Arbeiter August Salhof verhaftet und in das Amtsgerichtsgefängnis verbracht.

Diesen Fall haben Jakob Sperrle und Professor Dr. Oskar Mittag jetzt im Zuge der Recherchen zum „Stadtrundgang Eutin im Nationalsozialismus 1932 bis 1945“ im Stadtarchiv Eutin entdeckt. Dort steht im Verzeichnis „Polizeihaft und Schutzhaft“ unter der laufenden Nummer 151 am 28. Februar 1933 der handschriftliche Eintrag, dass August Salhof um 13.40 Uhr wegen „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit = K.P.D.“ inhaftiert wurde. Salhof wurde erst fast drei Monate später am 16. Mai 1933 wieder aus dem Gefängnis entlassen.

Dieser Vorgang ist deswegen so bedeutsam, weil August Salhof drei Wochen zuvor schon einmal verhaftet worden war. In diesem Fall wurde er jedoch bereits zwei Tage später wieder entlassen, weil die Lübecker Staatsanwaltschaft keine ausreichenden Gründe für die Inhaftierung sah. Mit der „Reichstagsbrandverordnung“ war die Situation nun schlagartig anders; rechtstaatliche Grundsätze spielten ab jetzt keine Rolle mehr. August Salhof kann damit als der erste „Schutzhäftling“ im späteren Konzentrationslager Eutin gelten.

Wer war August Salhof? Der kanadische Historiker Lawrence D. Stokes, dessen umfangreicher Nachlass sich im Stadtarchiv Eutin befindet und von dem auch die meisten Angaben zu Salhof stammen, hat hierzu einige Unterlagen gesammelt. Weitere Informationen wurden jetzt im Eutiner Stadtarchiv gefunden.

August Carl Johann Salhof wurde am 6. Juli 1890 in Demzin in Mecklenburg-Vorpommern geboren und war Steinschläger von Beruf. Vermutlich ist er 1921 nach Eutin gekommen und hat hier in der Weidestraße 53 gewohnt. Aus einer ersten Ehe stammen seine vier zwischen 1914 und 1922 geborenen Kinder. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er am 26. Mai 1928 die geschiedene Frieda Guttau, geborene Wetendorf, die mindestens ein weiteres Kind in die Ehe mitbrachte.

Salhof war Mitglied der KPD und leitete gemeinsam mit dem Maschinenbauer Friedrich Hamer (Neudorf) und dem Arbeiter Hans Caesow (Fissau) die Ortgruppe der Partei in Eutin, die ungefähr 200 Mitglieder zählte.

Ungeachtet der Lagerhaft im Eutiner Konzentrationslager versuchte Salhof gemeinsam mit anderen KPD-Mitgliedern, die Organisationsstruktur der Partei aufrechtzuerhalten. Im Dezember 1933 wurde er auf Veranlassung der Lübecker Gestapo erneut in Schutzhaft genommen, im April 1934 zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Salhof ist vermutlich im November 1942 zum „Osteinsatz“ nach Polen oder Russland geschickt worden und hat den Krieg überlebt. Über sein weiteres Leben ist uns bis jetzt nichts bekannt, außer dass er das letzte Jahr bis zu seinem Tod am 10. November 1970 in Fissau gewohnt hat. Seine Frau ist wenige Wochen später, am 13. Dezember, ebenfalls verstorben.

Im gesamten Jahr 1933 wurden in Deutschland mehr als 80.000 Menschen verhaftet und unter dem Vorwand der „Schutzhaft“ in Gefängnisse und frühe Konzentrationslager verschleppt.

In Eutin gehörten der zuvor abgesetzte Bürgermeister Dr. Otto Stoffregen, der Rechtsanwalt Dr. Ernst Evers und der ebenfalls aus dem Dienst vertriebene Leiter der Städtischen Polizei Paul Marks neben vielen anderen dazu.

Aber am Anfang stand der Arbeiter August Salhof, der noch am Tag der „Reichstagsbrandverordnung“, vor 92 Jahren verhaftet und wochenlang im Eutiner Amtsgerichtsgefängnis inhaftiert wurde.


Abb. 1:
Auszug aus dem Verhaftungsverzeichnis: Eintrag Nr.: 151 / Tagebuch Nr.: 194/33 / August Salhof (Gefängnis Eutin) / Beruf: Arbeiter / Wohnort: Eutin, Weidestr. 53 / Geburtstag: 6.7.90. Stadtarchiv Eutin, Nr. 1752, Polizeihaft und Schutzhaft, 1926–1939.

Abb. 2:
Auszug aus dem Verhaftungsverzeichnis: Geburtsort: Demzin / verhaftet am: 28.2.1933 13:40 Uhr / wegen: Gefährdung der öffentl. Sicherheit = K.P.D. / entlassen am: 16.5.33, 12 Uhr / Einlieferer. Stadtarchiv Eutin, Nr. 1752, Polizeihaft und Schutzhaft, 1926–1939.

Foto 1 Verhaftungsverzeichnis August Salhof
Foto 1 Verhaftungsverzeichnis August Salhof
Foto 1 Verhaftungsverzeichnis August Salhof
Foto 2 Verhaftungsverzeichnis August Salhof
Foto 2 Verhaftungsverzeichnis August Salhof
Foto 2 Verhaftungsverzeichnis August Salhof
27.02.2025 
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