Der jüdische Friedhof in Eutin
Der jüdische Friedhof in Eutin befindet sich am nördlichen Ufer des kleinen Eutiner Sees. Das Grundstück des jüdischen Friedhofs wurde 1851 von dem Mediziner und späteren Landtagsabgeordneten von Oldenburg und Gemeinderatsmitglied in Eutin, Dr. med. Nathan Nachmann Nathan, gepachtet.
Durch Ablöse der Heuer ging das Grundstück 1852 in sein Eigentum über und ist bis heute im Grundbuch als Familieneigentum eingetragen. Von der 1089 m2-großen Gesamtfläche wurden 320 m2 eingezäunt. Eine erneute Einzäunung fand 1954 statt. Diese eingefriedete Fläche ist heute als Friedhof erkennbar. Neben der Familiengrabstätte der Nathans befindet sich die Grabstätte der Familie Würzburg. Darüber hinaus weist der Friedhof drei Grabsteine für fünf getötete weibliche jüdische KZ-Häftlinge und ein Einzelgrab auf. Insgesamt gibt es auf dem jüdischen Friedhof 15 Grabsteine, von denen zwei keinen Personen mehr zugeordnet werden können.
1867 erfolgte die erste dokumentierte Beisetzung. Der dreijährige Sohn von Nathan Nachmann, Ernst Joel, starb an Zahnfieber. Der Grabstein ist nicht mehr bestimmbar. Weitere Mitglieder der Familie Nathan, die hier beerdigt wurden, sind die Ehefrau von Nachmann Nathan, Mathilde Nathan, geborene Falck 1829 in Stralsund und 1886 in Eutin gestorben, Nathan Nachmann Nathan selbst, geboren 1813 in Eutin und 1896 in Eutin gestorben, der Sohn Carl Nachmann Nathan, geboren 1858 in Eutin und 1929 in Eutin verstorben, sowie die Tochter von Nachmann Nathan Jenny Nathan, geboren 1856 in Eutin und 1940 in Eutin gestorben.
Der Familie Würzburg können vier Grabsteine zugeordnet werden, davon trägt einer keine Inschrift mehr. Auch befindet sich bei der Familiengrabstätte der Würzburgs ein Kindergrab. Die Gräber gehören zu Frieda Würzburg, geboren 1884 in Eutin und 1905 in Eutin gestorben, Sarah Würzburg, geboren als Oljenick 1852 in Lübeck und 1916 in Eutin gestorben, sowie Sally Würzburg, geboren 1852 in Lübeck und 1923 in Eutin gestorben. Zwischen den Gräbern von Sarah und Frieda Würzburg steht ein Gedenkstein, der vermutlich Leopold Würzburg zugeordnet werden kann, der 1882 in Eutin geboren und 1916 an der Westfront in Frankreich gefallen ist. 1907 wurde am Familiengrab der Würzburgs zudem die nur wenige Monate alte Elfriede Baumgarten beerdigt. Sie war das Kind von Ina Baumgarten (geb. Würzburg) und Hermann Baumgarten. Ina Würzburg war die Tochter von Sally Würzburg.
Im vorderen Bereich des Friedhofes gibt es eine weitere Grabstätte mit drei Grabsteinen für fünf weibliche jüdische KZ-Häftlinge aus Ungarn und Rumänien, die Opfereines alliierten Tieffliegerangriffs wurden. – 1945 war irrtümlich ein Zugtransport der Reichsbahn mit jüdischen KZ-Häftlingen auf der Bahnlinie Lübeck-Eutin in der Nähe von Eutin durch die Royal Air Force beschossen worden. Auf drei unterschiedlich zugeschnittenen Marmorplatten steht neben dem Davidstern die Inschrift: „Hier ruht bzw. ruhen fern ihrer Heimat ...“. Die Namen und Daten der fünf getöteten jüdischen Frauen lauten: Elli Gardos, geboren in Rumänien und gestorben am 3. Mai 1945 in Eutin, Margot Fried, geboren 1921 in Ungarn und am 3. Mai 1945 in Eutin gestorben, Rebekka Gerpel, geboren 1921 in Ungarn und am 8. Mai 1945 in Eutin gestorben, Clara Fried, geboren 1915 in Ungarn und gestorben am 12. Mai 1945 in Eutin, sowie Emöne Daskel, geboren 1908 in Ungarn und gestorben am 13. Mai 1945 in Eutin. 38 weitere jüdische Frauen, von denen nur zwei namentlich bekannt sind, wurden direkt vor Ort in der Nähe der Blockstelle Hainholz in einem Massengrab beerdigt.
Als letzte Person wurde auf dem jüdischen Friedhof in Eutin Hynek Lewitt, geb. 1895 in Leipzig, beigesetzt. Lewitt verstarb 1954 in Haffkrug. Zuvor hatte er sich für die in Eutin lebenden Jüdinnen und Juden und die Grabgestaltung der Friedhöfe engagiert. Auch hatte er sich für eine Umbettung des Massengrabes eingesetzt. Die Umbettung zum jüdischen Friedhof in Lübeck-Moisling geschah aber erst im Jahr 1960 nach seinem Tod, der Grund für die Umbettung war eine geplante Erweiterung der Bahnanlage.
1935 wurde der jüdische Friedhof nachweislich geschändet. Willy Würzburg zeigte die Tat am 14. Mai des Jahres an. In seiner Anzeige beschrieb er, dass alle Grabsteine der Familien Nathan und Würzburg umgestoßen worden sind. Er bat um polizeilichen Schutz, um solche Taten in Zukunft zu verhindern. Um die Wiederaufstellung der Grabsteine wollte er sich selber kümmern. Eine weitere Schändung ereignete sich im Jahr 1945. Diese ist in einem Schreiben vom 6. Juli 1945 dokumentiert, in dem der Bürgermeister von einer „skandalösen Verschandelung des Judenfriedhofes“ berichtete und einen Garteninspektor aufforderte, den jüdischen Friedhof wieder in einen würdigen Zustand zu bringen. Weitere Schändungen ereigneten sich im September 1976.
Quellen aus dem Stadtarchiv Eutin
Nr. 4027,
Verwaltung des Hausgrundstücks Nathan in Eutin Albert-Mahlstedt-Straße 20, 1940–1955.
Nr. 5871,
Israelitischer Friedhof, 1905–1954.
Nr. 5923,
Unterhaltung von Kriegsgräbern, 1914–1918 und 1939–1946.
Nr. 6002,
Jüdischer Friedhof am Kleinen Eutiner See, 1984–1988.
Kriegsgräber, Massengrab Hainholz,
1952–1960, nicht verzeichnet, Aktennummer Nr. 673225.
Jüdischer Friedhof,
1956–1982, nicht verzeichnet, Aktennummer 123-51/2.
Jüdischer Friedhof Grabstelle Nathan,
1960–1966, nicht verzeichnet, Aktennummer: 673233.
Sterbe-Register für die Juden in der Stadt [Eutin],
1856–1869, nicht verzeichnet.
Nachlass Lawrence D. Stokes,
Die Juden, 1918-1945, Ordner Nr. 12.
Nachlass Klaus-Dieter Hahn,
Familie Nathan, Ordner Nr. 13.
Nachlass Klaus Franck,
Stadt Eutin Jüdischer Friedhof, Ordner Nr. 48.
Literatur
Eckhard, Albrecht/Wyrsch, Rudolf: Oldenburgischer Landtag 1848–1933/1946.
Biografisch-historisches Handbuch zu einem deutschen Landesparlament. Oldenburg 2014.
Hooß, Roland, Jüdischer Friedhof Eutin, Erfassung der Grabsteine und Restaurierungskonzept. Dezember 2024.
Kriegerdenkmäler Schleswig-Holstein, Eutin, URL: https://www.denk-mal-gegen-krieg.de/kriegerdenkmaeler/schleswig-holstein-c-g [10.3.2025].
Ostholsteiner Anzeiger: Unbekannte stießen sechs Grabsteine um, Nr. 224, 29.9.1976, S. 4.
Stokes, Lawrence D.: Kleinstadt und Nationalsozialismus. Ausgewählte Dokumente zur Geschichte von Eutin 1918–1945. Neumünster 1984.
Ders.: „Meine kleine Stadt steht für tausend andere…“. Studien zur Geschichte von Eutin in Holstein, 1918–1945. Eutin 2004.
David Gutzeit